Die ganzjährige Außenhaltung von Meerschweinchen

Die ganzjährige Außenhaltung von Meerschweinchen
Gratwanderung zwischen Wunschdenken und Anspruch –Bedeutung für Tier und Halter

Die ganzjährige Außenhaltung ist für viele Meerschweinchenliebhaber die Idealvorstellung einer weitestgehend artgerechten Haltung für die Tiere. Wer kennt sie nicht, die schönen Fotos von Außengehegen mit grüner Wiese und blühenden Büschen, mit gelben Löwenzahn- und Gänseblümchen in der angenehmen Frühjahrsonne mit einer Gruppe von entspannten, glücklich anmutenden Meerschweinchen, die sich am Gemüseteller laben oder große Grasbüschel vernaschen. Idylle pur – ein Paradies für die Tiere. Keine Frage, so ist das Ziel und das gilt es umzusetzen, damit es unsere Meerschweinchen richtig schön und kuschelig haben.

Aber leichter gesagt als getan: Meerschweinchen sind anspruchsvolle Tiere – sie brauchen viel Platz: in der Außenhaltung müssen mindestens drei Tiere gehalten werden. Gruppen von 4-10 Tieren sind zu empfehlen. Die Ernährung ist vielseitig und die Pflege und auch die Beobachtung des Gesundheitszustands gehören zum Pflichtprogramm eines Halters. Daraus folgt: es erfordert eine grundlegende Planung, es müssen persönliche und sachliche Voraussetzungen geschaffen werden, um diesen Tieren gerecht zu werden.

Dieser Beitrag legt seinen Schwerpunkt ausschließlich auf das Treffen einer Entscheidung in Bezug auf die ganzjährige Außenhaltung von Meerschweinchen. Es sollen das Für und Wider dieser Haltungsform dargestellt und der Umfang aufgezeigt werden, den diese mit sich bringt, denn wir tragen eine große Verantwortung für diese kleinen Wesen. Dieser Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gilt lediglich als Orientierungshilfe.

Bevor man sich der Sache selbst annimmt, muss sich ein Halter vor Anschaffung eines jeden Tieres, egal welcher Art, grundlegend Gedanken machen, ob er die Ansprüche des Tieres dauerhaft erfüllen kann, auch im Hinblick auf die eigene Lebenszeit und die des Tieres. Die nachstehenden Aspekte beziehen sich hier vorrangig auf die Anschaffung und Unterbringung auf Meerschweinchen in der Außenhaltung , aber auch in der Innenhaltung, wobei die Teilaspekte durchaus auch auf jede andere Tierart übertragbar sind.

körperliche Konstitution

  • Bin ich fit genug und Willens, alle notwendigen (wöchentlichen oder täglichen ) Arbeiten zur Versorgung und Pflege der Tiere aufzubringen, unabhängig davon, ob die Sonne scheint, es in Strömen regnet oder gar schneit oder klirrende Kälte und Frost draußen herrschen?

  • Bin ich in der Lage Reparaturen und Instandsetzungsarbeiten auf lange Sicht selbst auszuführen oder

  • wenn nicht oder nicht mehr, stehen mir dazu genügend finanzielle Mittel für die Inanspruchnahme von Leistungen Dritter zur Verfügung oder gibt es Menschen, die diese Aufgaben übernehmen könnten?

Faktor Zeit

Wieviel Zeit kann/muss ich täglich aufwenden, um die Tiere angemessen zu versorgen und zu sichten, ob alles in Ordnung ist ? (Tiere, die Zugänge, die Drahtabsicherung, Eindringlinge über Nacht, mögliche Beschädigungen)

Kann ich das in Einklang bringen mit meiner Berufstätigkeit (Außendienst, Dienstreise, Schichtdienst, Überstunden) oder mit meinen sonstigen Arbeiten um Haus, Hof und Familie, mit meinen Kindern ?

Wieviel Zeit muss ich fest einplanen, wie flexibel bin ich in meiner Freizeit, habe ich dadurch andere Einschränkungen ?

Notfallplan

Wer kümmert sich um die Tiere,

  • im Falle von Krankheit, Urlaub und sonstiger Abwesenheit (z.B. beruflich) – Partner/in, Nachbar/in, Freund/in, andere Familienmitglieder?

  • Sind sie bereit und in der Lage, diesen Aufwand vollumfänglich auf sich zu nehmen?

  • Gibt es Stationen, zu denen ich im Notfall übergangsweise meine Tiere geben kann?

  • Kann ich das Geld für eine Pflegestelle aufbringen?

Wenn die persönlichen Voraussetzungen geschaffen sind, muss ich mich den sachlichen Anforderungen zuwenden:

Gehege/der Stall/ Unterbringung

Zunächst muss die Art des Geheges und die Größe mit der Anzahl der Tiere und dem mir zur Verfügung stehenden Raum ermittelt werden. Die Mindestfläche darf 4 m“ nicht unterschreiten. (für jedes weitere Tier sind 1m² zusätzlich einzuplanen)  Begehbare, überdachte oder teilweise überdachte und umzäunte Gehege mit separat zugänglichem Schlafhaus und/oder Aufenthaltsbereich innen und außen bieten viel Komfort für Mensch und Tier, insbesondere bei der Pflege (Reinigung) und Versorgung (Fütterung sowie der Beobachtung) der Tiere.

Die komplette offene Gehegehaltung, das heißt, ein umzäunter oder gesicherter Außenbereich, in dem auch von außen lediglich ein witterungsbeständiges Schlafhaus eingestellt wird und nur eine Teilbedachung erfolgt, kann in der Pflege und Versorgung der Tiere aufwendiger werden, insbesondere bei starken Regenfällen oder im Winter, wenn es schneit oder friert, weil auch dann und gerade dann, die Außenanlage weitestgehend schnee- und frostfrei gehalten werden muss.

Nicht zuletzt sind es häufig die höheren Kosten und die Platzanforderungen, die die Umsetzung einer solchen komfortableren Außenhaltung nicht für jedermann möglich machen.

Beide Optionen dennoch ermöglichen Meerschweinchen – so denn der Halter die Grundanforderungen jederzeit erfüllen kann – eine wunderbares Leben bei Wind und Wetter.

Wenn hier die Idee gereift ist, kommen nachstehende Faktoren hinzu, die immer im Vorfeld betrachtet werden sollten:

  • Standortwahl (nah an der Wohnung/Haus/im Garten)

(externes Gelände außerhalb des eigenen Wohnbereichs – Hinweis: wenn es nicht fußläufig kurzzeitig erreichbar ist, ist die Haltungsform aufgrund des zusätzlichen täglichen Zeitmehraufwand nicht zu empfehlen!)

  • Wahl der Materialien

Holz, Stein, Metall, Glas – z.B. Wanddicke des Hauses; Fenster; Bau/Anschaffung von Schutzhütten und Art der Zäune

  • Sicherung des Geheges durch verzinktem Draht oder mit Metall- oder Holzzäunen

  • damit verbunden der Schutz vor Feinden (z.B. Katzen, Marder – evtl. Bodenfläche untergittern)

  • Witterungsverhältnisse – Schutz vor praller Sonne, Eis, Regen und Schnee, Frost

(Sonnenschutz muss geschaffen werden mit ausreichender Belüftung, ebenso wie Schutz vor Regen/Schnee/Eis und Schutz vor Sturm)

  • Auswahl des Bodens

  • Wiese (nur sehr große Flächen ermöglichen ein Nachwachsen des Grases)

  • herkömmlicher Boden (Erde), evtl. abgedeckt mit Rindenmulch

  • Steinplatten

Gestaltung /Ausstattung

Nach Bau des Geheges steht nun die Ausstattung und Gestaltung desselben an. Hier sind der Phantasie des Halter zunächst keine Grenzen gesetzt. Meerschweinchen lieben es zu rennen, zu toben, sich zu jagen und zu verstecken. Manchmal dösen sie aber auch einfach nur vor sich hin, manche schlafen auch mitten auf den Wegen. Da interessiert es nicht, ob das Wetter gut oder schlecht ist – lediglich die Extreme in unseren Breitengraden machen Ihnen zu schaffen: Wärme oder Hitze oder starker Frost, sprich Temperaturen über 22°C oder unter 0°C erfordern eine zusätzliche Aufmerksam.

Dennoch gibt es zwei Grundregeln bei der Gestaltung zu beachten:

  1. Kein Plastik/kein Glas als Unterschlupf

Plastik wird entweder über die Zeit draußen brüchig und scharfkantig und in Folge dessen vielleicht unschön und ist damit – je nach Größe – als Unterstand im Sommer viel zu heiß und stickig. Letzteres gilt auch für Glas.

  1. Keine giftigen Pflanzen

Hier kann man sich bei verschiedenen Meerschweinchen Stationen zahlreiche Informationen einholen. Ein Tipp vorab: Bitte nicht enttäuscht sein, wenn essbare Pflanzen nicht wachsen: entweder das Pflänzchen erhöht pflanzen oder im Stammbereich schützen. Was immer geht: Tontöpfe mit Kräutern, nach denen das Meerschweinchen sich strecken muss oder leichte Erhöhungen schaffen, damit diese schwerer zu erreichen sind, was gleichermaßen Anreiz zur Bewegung schafft.

Empfehlung außen/innen

  • Natursteine – und Naturplatten (zum Beispiel Gehwegplatten – diese eignen sich auch gut für das Anlegen eines Futterplatzes, weil dort nicht verzehrtes Gemüse oder Futter einfach aufgefegt werden kann)

  • Rindenmulch

  • Korkröhren

  • Häuser (immer mit 2 Ausgängen, um durch schnelle Flucht /Ausweichen unnötigen Stress bei Streitigkeiten zwischen den Tieren zu vermeiden)

  • Tunnel

  • Brücken

  • Tonröhren (Durchmesser groß genug wählen)

  • Schattenplätze schaffen !!!! Wenn keine natürliche Beschattung möglich ist, empfiehlt sich das Spannen eines Sonnensegels und evtl. das Anlegen von Höhlen durch Steine oder Untergraben von Tonröhren.

  • Das Aufspannen von leichten Baststrandmatten hilft ebenso.

Schutzhütte außen/innen

Die Schutzhütten – besonders im Außenbereich- stellen hohe Anforderungen. Grundsätzlich muss hier dickes Holz verwendet werden, es muss auch hier Heu, Futter und Wasser angeboten werden und jedes Meerschweinchen erhält vorzugsweise die Möglichkeit einer eigenen Kammer, die dennoch in der Größe so gewählt werden muss, dass auch mal 2 Tiere sich darin aufhalten können. Dieses ist aber nicht zwingend notwendig. Auch mehrere Häuser, in denen auch zu zweit gekuschelt werden kann, sind durchaus eine angemessene Alternative. Die Grundfläche hängt von der Anzahl der Tiere ab, die Höhe sollte 30 cm nicht überschreiten, da ansonsten bei kalten Temperaturen der Innenbereich zu schnell auskühlt. Die Luftzirkulation muss auch bei einer Isolierung weiter gegeben sein, da es ansonsten durch die Wärme und dem Atem der Tiere zu hoher Feuchtigkeit kommen kann. Wenn sich die Feuchtigkeit an den Innenwänden niederlegt, kann es zur Schimmelbildung führen, was letztendlich schwere Atemwegserkrankungen zur Folge haben kann.

Um eine Schutzhütte zu bauen, sollte man sich zunächst Informationen heranziehen. Hier stehen im Internet zahlreiche und ausführliche Bauanleitungen von Notfallstationen und Organisationen, die sich ausschließlich auf die Haltung von Meerschweinchen spezialisiert haben, zur Verfügung.

Pflege der Anlagen

Die Außenhaltung erfordert keineswegs weniger Pflegeaufwand als die Innenhaltung.

  • Die Flächen der Innenbereiche gehören bei Verschmutzung durch Kot und Urin regelmäßig gesäubert. Dazu müssen Stroh, Heu und Einstreu entsorgt und ausgetauscht werden.

(Es ist zu überlegen, wo die ausgetauschten Schmutzreste entsorgt werden können!)

  • Die Flächen der Außenbereiche mit Steinplatten müssen gefegt und von Schmutz befreit werden.

  • Mit Rindenmulch eingestreute Außenbereiche sind, ebenso wie Wiese oder Rasen, regelmäßig auf verderbliche Futterreste (Gurken, Karotten, Obst u.ä., welches schimmeln kann) hin zu überprüfen und zu säubern.

  • Häuschen müssen regemäßig kontrolliert und bei Verschmutzungen gereinigt werden.

  • Futter- und Wassernäpfe sowie Futterschalen sind täglich zu reinigen und neu zu befüllen.

  • Pflanzen im Gehege müssen im Sommer gegossen werden!

  • Die Gehege müssen bei starkem Schnee und Frost evtl. frei geschaufelt werden, vielleicht sogar mehrfach am Tag, je nach Wetterlage und Witterung. Es müssen gegebenenfalls Wärmequellen für das Futter/Wasser und/oder die Tiere aufgestellt werden!

Futter und Frischwasser

Die Meerschweinchen sind täglich zu füttern, mit frischen Heu, mit Gemüse und Kräutern und Gras etc. zu versorgen.

Gesundheit und Pflege der Tiere

Bei der Außenhaltung ist eine besondere Aufmerksamkeit auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere zu legen. Es ist eine kurze „Sichtkontrolle täglich „ empfehlenswert. Dabei stehen folgende Aspekte im Vordergrund:

  • Ist das Tier aufmerksam, kommt es zum Futternapf und frisst es ohne Probleme ?

(Tieren, die nicht wie gewohnt zum Füttern kommen oder liegen bleiben, gehört immer eine besondere Aufmerksamkeit.)

  • Zeigt das Tier optische Veränderungen an Auge , Nase, Mund, Ohren, Fell oder im Bewegungsablauf?

  • Sind Verletzungen erkennbar ?

Kratzer, leicht blutende Verletzungen gehören angeschaut! In den warmen Sommermonaten kann es innerhalb weniger Stunden durch Fliegen zu einem Madenbefall kommen, der im schlimmsten Fall so schnell fortschreitet, dass eine Heilung nicht mehr gewährleistet ist und das Tier eingeschläfert werden muss.

  • Struppiges Fell, kahle Stellen? Häufiges Kratzen?

Ein immunstarkes Tier kann einen Befall von Parasiten wie Milben oder Haarlingen in der Regel gut abwehren. Aber viele Faktoren (Stress/Mangel- und Fehlernährung, mangelnde Hygiene im Gehege – um nur einiges zu nennen –können das Tier schwächen. Dann ist es empfänglich für Parasiten wie zum Beispiel die Grasmilbe, die auch über Gras- und Wiesenschnitt ins Gehege gelangen kann oder andere Milben, die durch Stroh und Heu mit eingebracht werden.

Der Gesundheitscheck wird mit jedoch schnell verinnerlicht und in kürzester Zeit zur Routine.

Hinweis:

Wird ein Tier in der kalten Jahreszeit krank und die Behandlung kann erfolgreich in der Außenhaltung fortgesetzt werden, ist das i.d. R. kein Problem. Dennoch gibt es auch Erkrankungen, die den Aufenthaltsort im Freien, zum Beispiel bei Minustemperaturen , unmöglich machen. Für diese Tiere bedeutet es, dass sie in die Innenhaltung verbracht werden müssen, die sie dann in der Regel erst wieder bei milderen Temperaturen (ab 10°C) verlassen können. Hierzu muss eine alternative Lösung der Unterbringung vorgehalten werden oder zumindest kurzfristig umsetzbar sein!

Kosten

Tiere kosten Geld! Kosten für:

  • die Anschaffung des Tieres

  • Anschaffung, Erstausstattung und Instandhaltung des Geheges

  • Unterbringung (wie Heu, Stroh, Einstreu, Bodenbelag)

  • Futter (Heu, Gemüse, Kräuter, Frischfutter, Trockenfutter)

  • Pflege und Gesundheit (z.B. Krallenschere, Haarschere, Notfallapotheke und Tierarzt)

Thema Tierarzt: Behandlungen von Meerschweinchen können schnell mal bei 100,00€ oder mehr liegen. Es empfiehlt sich, ausreichend Rücklagen zu schaffen!

Wenn nun der Entschluss zur Außenhaltung von Meerscheinweinchen noch nicht ganz gereift ist und Zweifel bestehen:

Es gibt auch die Möglichkeit der „Habjahreshaltung“, sprich der Wechsel zwischen Innen- und Außenhaltung. Von April/Mai bis Oktober/November, (Wetter und Temperatur abhängig!) verbringen die Tiere draußen und im späten Herbst/Winter kommen sie zurück ins Innengehege. Viele Meerschweinchenhalter haben die Befürchtung, die Tiere könnten frieren oder kämen mit Frost nicht klar. Um sich nicht unnötigen Ängsten auszusetzen und ständig mit einem schlechten Gewissen durch den Winter zu gehen, ist diese Form der Wechseljahreshaltung gerade für Anfänger der Meerschweinchenhaltung eine gute Alternative.

Meerschweinchen sind keine Kuscheltiere! Jede Entscheidung, die wir treffen, muss immer und ausschließlich eine Entscheidung für das Wohl der Tiere sein. Wer sich neben dem eigenen Aufwand für die Tiere am Ende mit der Beobachtung der Tiere und ihren Verhaltensweisen zufrieden gibt und dem die Freude am Anblick seiner Meerschweinchengruppe ausreicht und ihn glücklich stimmt, bringt die besten Voraussetzungen mit, Tieren ein schönes Zuhause zu bieten.

Eine letzte Bitte :

Zahlreiche Tiere warten in Tierheimen, Tierhilfen und Notfallstationen auf ein neues Zuhause. Geben wir Ihnen eine Chance!

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.