Farbmausnotfall in Oberhausen: ca. 80 Mäuse im Müllsack ausgesetzt

Am Samstag, dem 16.04.2016 wurde ein kleiner Gitterkäfig mit ca. 80 Farbmäusen in einem Müllsack verpackt im Nebeneingang des Trödelladens vom TSV Oberhausen abgestellt. Da der Sack teilweise der Sonne ausgesetzt war und die Mäuse schon einige Zeit darin verbracht haben, bevor sie gefunden wurden, waren alle Tiere kletschnass geschwitzt und ziemlich dehydriert. Der Käfig war so klein, dass sich die Mäuse stapelten und viele am Gitter hingen, um wenigstens ein bisschen Luft zu bekommen. Der Deckel des Käfigs war mit Tesafilm zugeklebt und Futter war auch nicht vorhanden. Hungrig und durstig warteten die Mäuse darauf, gefunden zu werden und endlich wieder frische Luft atmen zu können.

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Das Entsetzen über diesen Fund war groß. Die Mitglieder des Oberhausener Tierschutzvereins waren mit dieser Masse an Mäusen vollkommen überfordert und auch zeitlich ziemlich eingespannt, schließlich sind die Mäuse nicht die einzige Baustelle des Vereins. Die Mäuse wurden dort zunächst in 3 Gruppen geteilt, provisorisch untergebracht und endlich mit Futter und Wasser versorgt. Da der TSV Oberhausen kein Tierheim betreibt und die Mäuse dementsprechend im ungeheizten und durch offene Türen und Fenster zugigen Lagerraum der Tiertafel untergebracht werden mussten, war eine schnelle Unterbringung in Pflegestellen von entscheidender Bedeutung.

Nach anfänglichen Komunikationsschwierigkeiten waren wir, Sabrina Tillenkamp (Pflegestelle Oberhausen) und Julia Jesse (Pflegestelle Duisburg), am Freitag, dem 22.04.2016, vor Ort. Ohne genau zu wissen, was uns dort erwarten würde, haben wir uns mit unzähligen Transportboxen und allem, was man sonst noch braucht, um eine Mäusemasse nach Geschlechtern zu trennen und auf Pflegestellen zu verteilen, auf den Weg gemacht. Die erste Erleichterung gab es direkt auf den ersten Blick: in keiner der 3 Boxen lagen frisch geborene Babys! Wir konnten also in Ruhe mit der Trennung beginnen.

Aufgrund der räumlichen Enge gestaltete sich das ganze etwas schwierig. Vor lauter Boxen und Kisten wussten wir gar nicht, wie wir uns drehen und wenden sollten. Die Volkszählung ergab schließlich genau 70 Mäuse, davon 31 Böcke, 36 Weibchen und 3 Winzlinge, die uns noch nicht verraten haben, was sie mal werden wollen . Ein Dutzend Mäuse wurde einige Tage zuvor bereits wegen Tumoren eingeschläfert. In diesem Zuge wurde auch ein Leukosetest gemacht, der glücklicherweise negativ ausfiel. Die Untersuchung der Kotprobe war ebenfalls unauffällig.

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Angekommen in seinem Pflegeheim futtert einer der Winzlinge genüsslich Kolbenhirse und lässt sich durch nichts stören.

Den Damen vom Oberhausener Tierschutzverein wurde von anderer Stelle Alizin an’s Herz gelegt. Alizin hemmt die Wirkung der Hormone, die dafür sorgen, dass sich die Gebärmutter auf die Schwangerschaft vorbereitet, sodass sich die Embryonen nicht einnisten können. Bei fortgeschrittener Trächtigkeit sterben die Welpen langsam ab, da der Mutterkuchen nach und nach angegriffen und zerstört wird. Dies kann sich einige Tage hinziehen und die Welpen sterben letztendlich an Unterversorgung. Die abgestorbenen Welpen werden normalerweise nach einigen Tagen durch die Vagina ausgeschieden. Bei Hunden und Katzen würde man durch einen Ultraschall feststellen, ob noch Reste im Tier verblieben sind. Dies ist bei Mäusen nicht möglich. Es besteht also die Gefahr einer Blutvergiftung des Muttertieres. Zusätzlich kann man bei solchen Notfällen nicht wissen, wie weit die Trächtigkeit bereits fortgeschritten ist. Bei kleinen Würfen kann es sein, dass die Muttermaus nicht merklich dick wird, obwohl die Welpen schon voll entwickelt sind. Der Tod der ungeborenen Jungtiere erscheint uns grausam und das Risiko für die Muttertiere viel zu hoch. Glücklicherweise hatten wir so viele Angebote von lieben Menschen, die Mäuse in ihren Pflegestellen aufnehmen wollten, dass wir uns gemeinsam guten Gewissens gegen Alizin entscheiden konnten. Letztendlich brauchten wir einen Großteil der Pflegestellenangebote, die teilweise auch von sehr weit weg kamen, nicht annehmen.

Die Mäuse wurden wie folgt verteilt:

  • 2 kleine Mädels mit noch geschlossenem Scheideneingang konnten direkt bei Tina einziehen. Sie ist extra aus Mönchengladbach gekommen, um 2 Mäusen aus diesem Notfall ein Heim zu geben. Neben Tina waren noch einige andere Leute da, die den Mäusen gern eine Endstelle bieten wollten. Leider mussten wir alle enttäuschen, da die Böcke noch nicht kastriert waren und die Weibchen wegen potenzieller Trächtigkeit noch nicht vermittelt werden können.
  • 5 kleine Mädels sind am nächsten Tag zu Stefanie nach Stuttgart gereist und haben dort ebenfalls ihr lebenslanges Zuhause gefunden.
  • 8 Mädels sind zu Lydia und Rebecca nach Dortmund gezogen. Dort werden sie gesund gepflegt, dürfen sich in Ruhe um ihren Nachwuchs kümmern und werden anschließend vermittelt.
  • 23 Jungs in 2 Gruppen sind beim TSV Oberhausen geblieben. Eine Gruppe ist noch am selben Tag kastriert worden, die anderen werden ebenfalls in den nächsten Tagen kastriert. Alle Jungs haben schon feste Endstellen in Aussicht und werden in den nächsten Tagen von ihren zukünftigen Besitzern abgeholt.

Die übrigen Mäuse wurden vom Nagerschutz e.V. übernommen:

  • 4 Mädels sind in der externen Pflegestelle bei Ninja in Oberhausen untergekommen.
  • 8 Mädels sind bei Sabrina in der Pflegestelle Oberhausen eingezogen.
  • 8 Jungs wohnen nun in der Pflegestelle Duisburg. Sie sind noch zu klein für die Kastration und haben sich außerdem einen Atemwegsinfekt eingefangen, sodass es sich noch etwas hinziehen wird, bis sie kastriert werden können. So lange sollten sie nicht in den Räumen der Tiertafel bleiben.
  • 3 Mädels sitzen nun mit den 3 Winzlingen zusammen ebenfalls in der Pflegestelle Duisburg.
  • 6 Mädels, teilweise an Tumoren erkrankt, sind auch in die Duisburger Pflegestelle eingezogen.
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Die 8 kleinen Jungs bereit, den Weg nach Duisburg anzutreten

Einige Mäuse sind topfit und sehen kerngesund aus, aber ein Großteil der Mäuse befindet sich in sehr schlechtem Zustand. Sehr viele Mäuse nießen, einige schnattern sogar. Viele haben lichtes Fell, einige sind sogar fast komplett kahl und alle kratzen sich vermehrt. Bei einigen Mäusen fehlen die Schwänze teilweise oder sogar komplett und sehr viele Mäuse haben entzündete Augen. 2 Mädels in der Pflegestelle Duisburg haben Tumore im Genitalbereich. Ein Tierarztbesuch stand direkt Freitag Nachmittag auf dem Programm. Es wurde ein Pilz diagnostiziert, allerdings kein Test gemacht, da dafür ein tiefes Hautgeschabsel nötig wäre und das Ergebnis 6 Wochen auf sich warten lässt. Aufgrund der Symptome war der Arzt sich jedoch sicher und die Mäuse werden nun dagegen behandelt. Auch die entzündeten Augen liegen sehr wahrscheinlich an der Pilzerkrankung und werden hoffentlich schnell besser. Die Tumore bei den beiden Weibchen hielt er vorerst für unbedenklich. Sie stehen einer eventuellen Geburt nicht im Wege.

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Bei diesem Weibchen sind die Augen nicht mehr zu retten. Sie ist blind.

Die Mäuse dürfen sich in unseren Pflegestellen nun erstmal erholen. Man sieht an ihrem Verhalten, wie sehr sie die Ruhe und das gute Futter genießen. Einige von ihnen wissen mit mausgerechter Einrichtung gar nichts anzufangen. Es wird kaum gebuddelt oder geklettert, lediglich ein Unterschlupf gesucht und sogar die Hanfmatten sind noch ganz, was ja vollkommen mausuntypisch ist 😀 Die Weibchen dürfen in Ruhe ihren Nachwuchs zur Welt bringen und aufziehen. Am wichtigsten ist natürlich, dass alle Mäuse gesunden, bevor sie sich auf den Weg in ihre Endstellen machen. Es wird wohl noch einige Wochen dauern, bis die Mäuse zur Vermittlung freigegeben werden können. Dennoch nehmen wir gern schon Anfragen entgegen. Weitere Informationen dazu findest du hier auf unserer Homepage.

[important]In erster Linie brauchen wir nun dringend Spenden, um zumindest einen Teil der Tierarzt- und Kastrationskosten zu decken. Wie du helfen kannst, erfährst du hier:

Notfall: Die Mäuse aus dem Müllsack brauchen dringend deine Unterstützung![/important]

Wir sind sehr froh, dass alle Mäuse so schnell gut untergekommen sind. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat die Zusammenarbeit mit dem TSV Oberhausen gut geklappt. Vielen Dank dafür! Ein dickes Dankeschön an dieser Stelle auch an Ninja und Steffi, die uns vor Ort tatkräftig unterstützt haben!

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Update: Wie es mit den Oberhausener Müllsackmäusen weiterging…

 

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