Tierversuche retten Menschenleben, sagen viele Wissenschaftler. Tierversuche sind ethisch inakzeptabel, sagen Kritiker. Vorab: Hier soll es nicht darum gehen, sich für das Wohl von Tieren oder Menschen zu entscheiden. Jedem Kranken seien neue Therapien von Herzen gegönnt – und ebenso jedem Tier ein glückliches und artgerechtes Leben. Einige Gedanken zu unseren ‚Thementagen Tierversuche‘.
Tierversuche sind beinahe allgegenwärtig. Sie stecken nicht nur in Medikamenten, sondern auch in fast allen anderen Materialien, die mit dem Menschen in Kontakt kommen – Wandfarben oder Kunststoffen zum Beispiel. Die Öffentlichkeit spaltet sich jedoch vor allem an medizinischen Tierversuchen, denn hier geht es um Menschenleben. Ohne Tierversuche könne man viele neue Therapien gar nicht entwickeln, meint ein erheblicher Teil der Wissenschaftler. Die Frage ist: Stehen wir wirklich vor dieser Wahl? Müssen wir wirklich Menschenleben opfern, wenn wir uns dagegen entscheiden, Labortiere schrecklichen Qualen auszusetzen?
Nein, sagen die „Ärzte gegen Tierversuche“. Der Zusammenschluss von Ärzten und Wissenschaftlern, die sich für eine Forschung ohne Tierleid einsetzen, geht sogar noch einen Schritt weiter: Tierversuche würden den wissenschaftlichen Fortschritt behindern, sagen sie. Denn ein erheblicher Prozentsatz der Medikamente, die sich in Tierversuchen bewähren, entpuppen sich laut einer Broschüre der Initiative bei menschlichen Patienten entweder als wirkungslos – oder sogar gefährlich. Denn Tiere, seien es Mäuse, Ratten oder Kaninchen, haben einen ganz anderen Stoffwechsel als wir – was für sie ungiftig ist, kann uns massiv schaden, im schlimmsten Fall sogar töten. Zudem würden die Tiere viele der menschlichen Krankheiten, die bei ihnen im Labor künstlich erzeugt werden, in der Natur nie bekommen. Nicht zuletzt deshalb bezweifeln die Ärzte gegen Tierversuche und gleichartige Vereinigungen in anderen Ländern, dass sich die Erkenntnisse aus Tierversuchen überhaupt sinnvoll auf den Menschen übertragen lassen.
Befürworter von Tierversuchen halten dem entgegen, dass es nicht ausreiche, neue Wirkstoffe z.B. in Zellkulturen oder Computersimulationen zu testen, da ein lebendiger Organismus viel komplexer ist, als es in solchen Versuchen simuliert werden kann. Schließlich weiß ein Computer immer nur das, was der Mensch ihm vorher eingibt. Woraufhin die Tierversuchsgegner kontern könnten, dass eine Maus zwar der Komplexität Rechnung trägt, doch durch die oben genannten Gründe keine verwertbaren Rückschlüsse aus solchen Versuchen gezogen werden können. Wirklich sicher seien neue Medikamente auch nach Tests mit Mäusen nicht, wenn sie das erste Mal einem menschlichen Patienten verabreicht werden.
Beide Seiten liefern Argumente, beide Seiten beharren auf ihrem Standpunkt. Sie, lieber Leser, haben sich vermutlich auch schon eine Meinung zu diesem Thema gebildet. Oder Sie möchten sich hier informieren, weil Sie von den vielen gegensätzlichen Informationen verwirrt sind, und nicht mehr wissen was Sie glauben sollen. Eines vorweg: Egal, wie Sie über Tierversuche denken – Ihre freie Meinung sei Ihnen ebenso gegönnt wie den oben erwähnten Patienten die rettende Therapie. Ich möchte aber eine andere Frage in den Raum stellen.
Ist es überhaupt relevant, welche Seite Recht hat? Wenn Sie, lieber Leser, Tierversuche für wissenschaftlichen Humbug halten, dann begrüßen Sie alternative Verfahren nicht nur aus ethischen Gründen, sondern auch weil Sie in ihnen einen größeren Nutzen für den Menschen sehen. Oder aber Sie sehen Tierversuche nach wie vor als notwendig für den Fortschritt an. Dann möchte ich Sie bitten, darüber nachzudenken, ob Sie nicht vielleicht trotzdem dem folgenden Satz zustimmen können: „Selbst wenn ich es heutzutage noch für wichtig halte – das Tierleid ist entsetzlich, deshalb brauchen wir möglichst schnell Alternativen“?
Ergibt sich unter diesem, dem ethischen, Aspekt letztendlich nicht für beide Seiten dieselbe Konsequenz – nämlich dass wir uns für die Weiterentwicklung der Forschung ohne Tierversuche einsetzen? Vielleicht sollten wir aufhören, zu streiten und uns stattdessen genau damit ans Werk machen. Damit wir gar nicht mehr darüber diskutieren müssen, ob wir Menschen oder Tieren helfen. Weil wir nämlich beides gleichzeitig können.
In würde mich freuen, wenn Sie mich auf unseren Thementagen begleiten, in der wir Ihnen einige alternative, tierversuchsfreie Testverfahren vorstellen wollen – nicht nur in der Medizin, sondern auch in der Kosmetik. Und warum nicht mal einen Lippenstift selber machen? Das verhindert nicht nur Tierleid, sondern macht auch noch viel Spaß. Nächstes Mal bleiben wir allerdings zunächst noch in der Medizin – ich wünsche Ihnen bis dahin einen guten Start in die Woche.
Quellen:
Ärzte gegen Tierversuche e.V.: Woran soll man denn sonst testen? Moderne Forschungsmethoden ohne Tierversuche. Pdf-Broschüre, per Email erhalten von den Ärzten gegen Tierversuchen e.V.
Argumente der Tierversuchsbefürworter: verschiedene Online-Stichproben per Suchmaschine.